Im Vorfeld der Deutschen Hallenmeisterschaften der Leichtathleten wurden in nahezu allen Vorberichten die Namen der U23-Sprinter Chidiera Onuoha (ASV Köln, 21) und Heiko Gussmann (Sprintteam Wetzlar, 20), beide mit Vorleistungen von 6,57sek gemeldet, als Favoriten über die 60m-Entscheidung der Männer gehandelt. Am Ende siegte Robert Ganter aus Mannheim mit neuer PB von 6,56sek. Im als „Sprint Royal“ angekündigten Finale in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle stand allerdings zur Überraschung vieler am Ende auch ein anderer U23-Athlet. Emilio Gonzalez, 21jähriger Sportstudent vom LT DSHS Köln, stellte bereits in seinem Vorlauf mit 6,70sek seine persönliche Bestleistung ein und ließ im Zwischenlauf dann eine neue Bestleistung mit 6,69sek folgen.
Auf der Anzeige stand Emilio zeitgleich mit dem Dortmunder Deniz Almaz auf Platz neun. Ein Top-Ergebnis und nur denkbar knapp am Finale vorbei, war das Fazit seiner ersten Teilnahme an Deutschen Hallenmeisterschaften im Kurzsprint. Trotz Hinweises von Trainer Jörg Kölsch, sich evtl. noch für ein mögliches Nachrücken Bereit zu halten, musste Emilio nach dem vermeidlichen Ausscheiden im Halbfinale erst einmal etwas von seinem mitgebrachten Nudelgericht verspeisen. Zeitgleich brachen in der Nachbarschaft des mit 80.000 Zuschauern gefüllten Fußballstadions alle Handynetzte, auch in der Helmut-Körnig-Halle, zusammen. Offizielle Ergebnisse und Qualifikationen waren also online nicht abrufbar. Trainer Kölsch erhielt allerdings noch eine Nachricht aufs Handy mit dem Glückwunsch zur Finalteilnahme von Emilio. Jetzt musste schnell gehandelt werden. Trainerkollege Basti Fiene sprang sofort auf und lief ins Wettkampfbüro. Hier wurde die Finalqualifikation wegen des Verzichts von Heiko Gussmann und Emilios um 1/1000 schnelleren Halbfinalzeit vor Deniz Almas bestätigt. Emilio war im Finale. Zwanzig Minuten bis zur Call-Room-Zeit. Zwei, drei kurze Drills, ein Ablauf und ab dafür. Um 17:30 Uhr geht in der Helmut-Körnig-Halle das Hauptlicht aus und die Lightshow zum 60m-Finale der Männer beginnt.
Unter dem Applaus der gut gefüllten Halle kommen die acht Finalteilnehmer durch eine blinkende Gasse im Scheinwerferlicht auf die Sprintbahn. Als erster wird Emilio Gonzalez aus Köln angekündigt und durchschreitet kurz darauf den Lichttunnel zum Innenraum. Eine Minute später sitzen die Finalisten in ihren Startblöcken. Es ist mucksmäuschenstill in der Halle. Der Startschuss fällt und die acht schnellsten Deutschen an diesem Tag sprinten mit allem, was sie haben, Richtung Ziel. Am Ende wird es das schnellste 60m-Finale der letzten Jahre. Gerade einmal 9/100 liegen zwischen dem ersten Robin Ganter und dem achten Emilio Gonzalez – ein unfassbar knappes und dichtes Finale, in dem Emilio seine Bestleistung noch einmal um 4/100 steigern kann. So stehen schlussendlich 6,65sek auf der Anzeigetafel für Emilio. Das Trainerteam Jörg Kölsch und Luca Willmann sind sich einig: der erstmalig gelungene gute Start war der Schlüssel zum Erfolg. Mit dieser Zeit läuft Emilio nicht nur einen neuen Vereinsrekord, sondern ist aktuell der drittschnellste Deutsche U23-Sprinter und der elftschnellste Deutsche U23-Sprinter aller Zeiten.
Am Samstag war auch Marsha Dunkel über 400m der Frauen für das LT DSHS Köln am Start. Mit 55,51sek konnte sie von Bahn 1 laufend ihre Saisonbestleistung von 55,36sek im Halbfinale bestätigen.
Der Sonntag ist bei Deutschen Meisterschaften neben vielen Finals traditional auch der Staffeltag. Gleich drei Staffeln des LT DSHS haben die Qualifikation zu den Meisterschaften geschafft. Zwei Männerstaffeln und eine Frauenstaffel sind mit dem Ziel angetreten, unter die besten acht Staffeln zu sprinten. Staffel eins der Männer gelang es, mit Emilio Gonzalez, Elias Fries, Marius König und Maurice Andrew mit 1:28,81min ihre Saisonbestzeit zu steigern und Platz 7 zu erreichen. Die Zweite Staffel mit Ole Harmuth, Lucius Göpfert, Björn Pröve und Gabriel Plate landete mit 1:30,29min am Ende auf Rang acht. Die Staffel der Frauen wurde leider wegen eines Wechselfehlers in aussichtsreicher Position liegend disqualifiziert.
Insgesamt bleibt für das kleine Teilnehmerteam vom LT DSHS eine durchaus positive Bilanz dieser 72. Deutschen Leichtathletik-Hallenmeisterschaften und lässt auf aussichtsreiche Ergebnisse im Sommer hoffen.
By the way: Die Helmut-Körnig-Halle wurde nach dem Deutschen Sprinter Helmut Körnig benannt. Körnig war in den 1920er- und 1930er-Jahren einer der weltbesten Sprinter mit einer Bestzeit von 10,4sek über 100m aus dem Jahr 1928 (damals Weltrekord) und gewann drei olympische Medaillen bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam und 1932 in Los Angeles.
Text: Jörg Kölsch